Fragen an den Autor
Welche Autoren haben Sie beeinflusst?
Viele verschiedene. Ich habe sehr breite Interessen, daher ist es schwierig, mich auf einige wenige Schriftsteller zu beschränken. Als Kind las ich viel Karl May, aber auch die üblichen Kinderserien wie «Die drei ???» oder «TKKG». Auch sonstige Abenteuergeschichten verschlang ich massenhaft. Als Jugendlicher in den USA entdeckte ich dann W.E.B. Griffins verschiedene Romanserien für mich. Bei ihm beeindruckte mich vor allem, wie er historische Hintergründe in eigentlich alltägliche Geschichten (die jedoch immer in einem bestimmten Milieu spielten, meist dem Militär oder der Polizei) einflocht, ohne dass es bemüht oder gestellt wirkte. Tom Clancy, dessen politische Ansichten ich nicht unbedingt teile, beeinflusste mich sicherlich auch, indem ich von ihm lernte, wie wichtig nebst der eigentlichen Geschichte ein detailliert recherchiertes, realistisches Setting ist. Zu nennen ist in diesem Zusammenhang auch Frederick Forsyth, bei dem mich vor allem die Verknüpfung seiner Geschichten mit politischen Hintergründen beeindruckte. Was die Zeichnung von Figuren mit Tiefgang anbelangt, so stechen auch die Werke von John le Carré heraus, insbesondere seine Spionageromane. Heute lese ich vor allem Thriller, Krimis und historische Romane. Zu meinen aktuellen Lieblingsautoren gehören denn auch Stephen Hunter, Bernard Cornwell, Conn Iggulden und Harry Sidebottom. An Henning Mankells Wallander-Romanen schätze ich nebst den gut konstruierten Geschichten vor allem, dass er nicht der im Genre oft üblichen Heldenverehrung anheimfällt. Meinen heutigen Stil klar am meisten beeinflusst hat jedoch Robert B. Parker, insbesondere seine trockene Sprache mit den relativ einfachen, kurzen Sätzen und dem hohen Erzählrhythmus mit vielen kurzen (statt wenigen langen) Kapiteln. Wie stehen Sie zur deutschsprachigen Krimiszene? Für mich sind Krimis sehr kulturspezifisch. Deshalb funktionieren schwedische Krimis anders als deutsche, Schweizer Krimis anders als englische, und so weiter. Insgesamt denke ich aber schon, dass schweizerische, österreichische und deutsche Krimis miteinander mehr Gemeinsamkeiten aufweisen als mit solchen aus anderen Sprachregionen und man daher durchaus von einer deutschsprachigen Krimiszene sprechen kann. An deren Exponenten schätze ich, dass sie meines Erachtens mehr Wert auf psychologische Faktoren und Hintergründe legen als zum Beispiel ihre amerikanischen Pendants. Auch fehlt die allgemeine Heldenverehrung nordamerikanischen Zuschnitts. Die Protagonisten sind im Gegenteil oft regelrechte Antihelden. Gute Beispiele dafür sind zum Beispiel Glausers Studer, Dürrenmatts Bärlach oder Schneiders Hunkeler. Andererseits ist aber dafür auch das Tempo meist deutlich behaglicher als bei angelsächsischen Krimis, und der Stil ist weniger direkt und hart. Deshalb entsprechen mir Krimis oder Kriminalthriller in der Tradition der amerikanischen Hard-boiled-Romane insgesamt besser, insbesondere diejenigen von Dashiell Hammet, Raymond Chandler und Robert B. Parker. Meine erklärte Ambition ist es, deren rasantes Tempo und ihre Härte mit dem psychologischen Tiefgang der Figuren eines Friedrich Glausers oder Hansjörg Schneiders, dem Detailreichtum eines Stephen Hunters oder Tom Clancys und der historischen Genauigkeit eines Bernard Cornwells oder Harry Sidebottoms zu verbinden. Wo schreiben Sie? Das ist recht unterschiedlich. Ich brauche meist einige Zeit, um in die jeweilige Gedankenwelt abzutauchen, egal, ob ich an einem Roman, einem Sachbuch oder einer wissenschaftlichen Publikation arbeite. Dabei sollte ich nicht gestört werden; meine Frau kann davon ein Liedchen singen. Geeignete Plätze sind zum Beispiel die Galerie über unserem Home Office, aber auch im einen oder anderen Starbucks sowie im Zug oder auf Langstreckenflügen entstanden viele meiner Arbeiten. Meine Doktorarbeit ist zum Beispiel zu einem rechten Teil in den ICE der Schweizer Bundesbahnen, bzw. deren exzellenten Business-Abteilen, entstanden. Das gleiche gilt für meinen Erstlingsroman. Ich kann mich im Zug einfach gut konzentrieren: Ohrhörer rein, Laptop auf und weg bin ich. Während der Entstehung von «Sonnenfinsternis» pendelte ich zum Beispiel regelmässig mit dem Zug zwischen Buchs und Genf hin und her, also von einem Ende der Schweiz zum anderen. Dabei geht die Arbeit jeweils sehr zügig voran. Aber grundsätzlich kann ich überall schreiben, wo ich nicht dauernd gestört werde, solange ich nur genügend Zeit habe, mich in die Thematik hineinzudenken. Wie unterscheidet sich das Schreiben von Romanen vom Verfassen von Sachbüchern und wissen-schaftlichen Publikationen? Das Zielpublikum, das man beim Schreiben stets im Hinterkopf behalten sollte, ist natürlich ein ganz anderes. Insofern unterscheiden sich alle drei deutlich. Die Art, wie ich an sie herangehe, ist jedoch sehr ähnlich: Zuerst lese ich mich in das allgemeine Thema ein, dann konstruiere ich die Struktur, also das ‹Skelett›, bevor ich sehr zielgerichtete Detailrecherchen betreibe. Erst danach kommt dann das eigentliche Schreiben. Zum Schluss redigiere und verbessere ich alles mehrfach, bis ich – meistens – irgendwann zufrieden bin. Ihr Roman «Sonnenfinsternis» enthält teils recht harte Szenen. War das nötig? Sie sprechen die Folterszene und die Schusswechsel in Belgrad sowie am Ende des Buchs an. Meine Meinung dazu ist klar: Ja, das war nötig, und zwar genauso. Zum einen wollte ich damit zum Ausdruck bringen, was für grauenhafte Dinge sich Menschen antun können, wenn sie in der entsprechenden Machtposition sind, zum anderen gehört eine detailreiche, realistische Schilderung einfach zum Stil des Buchs. Die Szenen, welche im Krieg spielen, habe ich ja nicht frei erfunden, sondern die haben sich so oder ähnlich tatsächlich abgespielt. Ich habe mich dabei vor allem auf die Urteilsprotokolle des Haager Tribunals gestützt. Es gäbe noch viel schlimmere Geschichten zu erzählen, diese habe ich jedoch weggelassen, weil es für die Geschichte nicht nötig war. Reinen Gewaltvoyeurismus, wie er heute leider ziemlich oft vorkommt, lehne ich entschieden ab. Die beiden Schiessereien in der zweiten Hälfte des Buchs sind tatsächlich recht bildhaft erzählt, dies geht jedoch auf meinen Anspruch zurück, alles so nahe an der Realität wie möglich beschreiben zu wollen. ‚Realistisch‘ ist hier natürlich insofern mit Vorbehalt zu verstehen, als dass Realismus nur für die Schilderung von Örtlichkeiten, historischen und politischen Zusammenhängen oder eben solchen Vorgängen in Anspruch genommen werden kann. Die eigentlichen Geschichten in solchen Krimis und Thrillern sind natürlich immer irgendwie unrealistisch, da wohl kaum jemand tatsächlich mit einer derartigen Häufung von schlimmen Ereignissen konfrontiert wird. Als Beispiel kann hier angemerkt werden, dass die meisten Polizisten in ihrer ganzen Laufbahn nie einen Schuss ausserhalb des Schiessstands abgeben müssen, wie ja auch in «Sonnenfinsternis» erwähnt. Unser diesbezügliches, von der Realität abweichendes Bild ist stark von Film und Fernsehen beeinflusst und spiegelt sich umgekehrt dann auch in der Literatur wieder. Hand aufs Herz, das mit den NATO-Geheimarmeen in «Sonnenfinsternis» ist doch erfunden, nicht? Absolut nicht. Deren Existenz ist klar belegt, und zwar in der im Buch beschriebenen Form. Ich habe mich bei meinen Schilderungen einerseits auf öffentlich zugängliche Originalquellen gestützt, etwa die Mitschrift der Rede, mit der Andreotti 1990 die Existenz der italienischen Geheimarmee GLADIO und deren Rolle bei der Strategie der Spannung im Parlament verkündete. Andererseits stützte ich mich auf Erkenntnisse der neueren Geschichtsforschung, vor allem die Arbeiten des Historikers Daniele Ganser, aber auch auf verschiedene angelsächsische Publikationen zum Thema. Ebenfalls sehr aufschlussreich waren die dreiteilige BBC-Dokumentation «GLADIO» von 1992 und verschiedene Dokumente der damaligen Europäischen Gemeinschaft zum Thema. Die ganze Geschichte der europäischen Widerstandsarmeen belegt wieder einmal das auf den englischen Poeten Lord Byron zurückgehende Diktum „truth is stranger than fiction“. Originalzitat: "’Tis strange – but true; for truth is alway strange; stranger than fiction.”
Lord Byron in Don Juan, 1819-1824. Was denken Sie, weshalb wurde die Schweizer Geheimarmee P-26 noch kaum in der Literatur aufgegriffen? Das ist eine schwierige Frage. Einerseits sicher, weil immer noch verhältnismässig wenig über diese geheime Widerstandsorganisation und die P-27, ihren auf nachrichtendienstliche Belange ausgerichteten Schwesterdienst, bekannt ist. Der Untersuchungsbericht der PUK EMD von 1990 und insbesondere Pierre Cornus Untersuchungsbericht von 1991 zur P-26 und deren Verstrickungen mit ausländischen Diensten liegen ja immer noch nur als zensierte Kurzversionen vor. Die vollständigen Berichte sind nach wie vor als Geheim klassifiziert und können erst 2020 veröffentlicht werden. Andererseits spielt aber sicher auch die Schweizer Eigenart hinein, unangenehme Themen lieber unter den Teppich zu kehren als sich damit auseinanderzusetzen. Damit sind die Schweizer allerdings bei weitem nicht allein, wenn man den Umgang mit dem zweiten Weltkrieg etwa in Österreich oder mit der kommunistischen Vergangenheit in Osteuropa bedenkt. Denken Sie, dass die Leser von Romanen mit historischem Bezug etwas lernen sollten? Ich finde, Literatur hat generell die Aufgabe, interessante Fragen aufzuwerfen und Zusammenhänge darzustellen. Dies gilt insbesondere für Romane, in denen der historische Hintergrund einen wichtigen Teil zur Handlung beiträgt. Der Archetypus dieses Genres, der historische Roman, lebt sozusagen davon, dass der Leser nicht nur auf die Handlung neugierig ist, sondern auch etwas über eine bestimmte Epoche dazulernen will. Wenn ein solcher Roman dem Leser nichts beibringen kann, lohnt sich das Lesen wahrscheinlich nicht. Ein Kriminalthriller wie «Sonnenfinsternis», bei dem der historische Hintergrund viel zur Handlung beiträgt, schlägt sozusagen eine Brücke zwischen den Genres und macht ihn damit sowohl für Leser mit dieser historischen Neugier als auch für Liebhaber von traditionellen Krimis interessant. Ihre Figuren sind sehr authentisch gezeichnet. Was inspiriert Sie? Einerseits das Leben, wie es so schön heisst, andererseits die Werke meiner weiter oben bereits erwähnten Einflüsse: Hammet, Chandler, Parker, Mankell, Cornwell, Iggulden, Forsyth, Sidebottom und viele andere. |